Oper im Konzertsaal – kann man machen, muss man nicht

Ein Erlebnisbericht

Am 16. September wurde in der Elbphilharmonie die Oper Pelléas und Mélisande von Claude Debussy gegeben. Über die Musiker und Musikerinnen kann man nichts sagen: schöne Stimmen, guter Dirigent, wohlklingendes Orchester.

Mich hat an dem Konzertabend die Programmgestaltung beschäftigt. Frage Nummer eins: Warum führt mein eine Oper in einem Konzerthaus auf? Zweite Frage: Warum dieses Stück, dass aus meiner Sicht inhaltlich aus der Zeit gefallen ist.

Konzertante Aufführungen gibt es immer wieder mal. In diesem Fall gab es allerdings durchaus eine Art Bühnenbild, die Darsteller trugen Kostüme, es gab eine besondere Beleuchtung. Alles erdacht vom Dirigenten Iván Fischer in Gemeinschaft mit Marco Gandini. Mein erster Eindruck war, dass das Orchester ziemlich gequetscht auf der Bühne saß, im Verlauf ergaben sich einige widersprüchliche Szenen (Pelléas und Mélisande singen davon im Schatten bleiben zu wollen, standen aber genau in dem Moment im prallen Licht oder aber Pelléas wird gefragt, ob er „dieses“ Kellergewölbe kenne, während die beiden Sänger hoch erhoben auf einem hochgefahrenen Bühnenelement waren). Für mich jedenfalls übertrug sich die angedeutete Atmosphäre nicht.

Letztlich war es in meinen Augen keine konzertante Aufführung – eher war es ein bisschen nichts Halbes und nichts Ganzes.

Nun zur Auswahl des Stücks. Im Programmheft wird der Inhalt als „klassische Dreiecksgeschichte“ bezeichnet und im Weiteren wird betont, es gehe um „Seelenzustände“.

Mein Eindruck war ein ganz anderer: gesehen habe ich, dass ein Nein nicht als Nein gilt (Mélisande singt mehrfach und ausdrücklich davon, dass Pelléas sie nicht bedrängen soll), der deutlich ältere Golaud (Mann von Mélisande) ist zunächst herrschsüchtig und später ein Mörder. Diese Tat wird später vom König Arkel als nachvollziehbar bewertet. Auch der Sohn Yniold wird einem Machtmissbrauch ausgesetzt, denn er wird von seinem Vater Golaud gezwungen seine Mutter auszuspionieren, ob sie Geschlechtsverkehr mit Pelléas habe. Er wert sich, dringt aber nicht durch.

Über diese psychische Gewalt und das antiquierte Rollenverständnis rückte für mich die Musik von Claude Debussy sehr in den Hintergrund. Vielleicht hat sie gut zum Inhalt gepasst, vielleicht hat sie die im Programmheft angekündigten Seelenzustände beschrieben.

Mein Fazit ist: gibt es nicht neue Stücke, die irgendwie einen Bezug zur Jetztzeit haben? Die gegebenenfalls eine Vision einer Zukunft beschreiben? Warum werden immer und immer wieder Opern aufgeführt, die ein Rollenverständis beschreiben, dass aus meiner Sicht heutzutage überholt ist oder zumindest überholt sein sollte. In Pelléas und Mélisande wird keine Liebe auf Augenhöhe besungen.

Erlebnisbericht zum Konzertabend am 16. September 2023
Ort: Elbphilharmonie
Aufgeführt wurde die Oper Pelléas und Mélisande
Komponist: Claude Debussy
Dirigent: Iván Fischer
Orchester: Budapest Festival Orchester
Pelléas: Bernhard Richter
Mélisande: Patricia Petibon
Arkel: Nicolas Testé
Geneviève: Yvonne Naef
Golaud: Tassis Christoyannis
Ein Arzt / Ein Schäfer: Peter Harvey

Kostüme: Anna Biagiotti
Bühnenbild: Andrea Tocchio
Licht: Tamás Bányai
Technischer Direktor: Róbert Zentai
Bühnenmanager: Wendy Griffen-Reid
Regieassistenz: Heide Stock
Regie: Iván Fischer und Marco Gandini