Erlebnisbericht |
Fang ich mal mit dem Ende an: die letzte Zugabe war der Ungarische Tanz Nr. 5 in g-Moll von Johannes Brahms. Schwungvoll, leidenschaftlich, präzise und mit Freude gespielt. Die Melodie hat sich bei mir als Ohrwurm festgesetzt und darf noch ein bisschen bleiben, in Erinnerung an das schöne Konzerterlebnis.
Es gab davor noch eine weitere Zugabe, für die das halbe Orchester zum Chor wurde. Das Ave verum corpus von Wolfgang Amadeus Mozart (eine Motette) brachte unvermittelt eine andere Stimmung in den Saal und wurde begeistert vom Publikum aufgenommen. Und manch einer staunt: Orchestermusiker können offenbar auch singen.
Brahms 2. Sinfonie gilt als Selbstgänger, kann aus meiner Sicht aber gerade deswegen auch in die Hose gehen, wenn er so dahin genudelt wird. In diesem Konzert allerdings hat der Dirigent Lorenzo Viotti seine Freude an der Musik an das Orchester übertragen. Mit Pepp und Präzision und überhaupt nicht schwülzig habe ich den Brahms genossen.
Im ersten Teil des Programms stand das Klavierkonzert B-Dur KV 595 von Wolfgang Amadeus Mozart, gespielt von Maria João Pires. Die Musik von Mozart klingt oft leicht, ist aber nicht unbedingt leicht zu spielen. Hier ein Einsprengsel, dort eine Verzierung. Da müssen Einsätze und Tempo schon stimmen, damit es nicht – wie man so sagt – auseinander fällt. Am heutigen Abend ist das bestens geglückt, hatte dabei Esprit und strahlte eine angenehme Ruhe und Leichtigkeit aus.
Maria João Pires Zugabe – das Adagio aus der Sonate für Klavier F-Dur KV 300k, ebenfalls von Mozart – passte wunderbar ins Programm.
Begrüßt wurde das Publikum mit dem Siegfried-Idyll von Richard Wagner. Bei Wagner zucke ich immer ein wenig zusammen, denn einerseits ist er bekannt für durchaus lange Opern (die eine oder andere dauert schon mal 4-6 Stunden), andererseits gibt seine Schrift „Das Judentum in der Musik“ bis heute Anlass zur Diskussion, weil er geistesgeschichtlich als Verfechter des Antisemitismus gilt.
Der Dirigent hatte hier und da ein paar Worte zur Musik gesagt, gerichtet an diejenigen im Publikum, die bisher noch nicht so oft in einem klassischen Konzert waren. So erfuhren wir, dass das Siegfried-Idyll von Richard Wagner als eine „déclaration d‘amour“ für seine Frau entstanden war. Für eine Sekunde stellte ich mir die Frage, wer im Publikum genug Schulfranzösisch in Erinnerung hat, um das zu übersetzen. Aus dem Kontext wurde es aber auch klar. Und es hat ja auch etwas globales an sich, wenn ein Schweizer mit einem niederländischen Orchester in Hamburg in seine Erläuterungen auf deutsch französische Wörter einflechtet.
Eckdaten:
Konzert vom 23. Januar 2023
Elbphilharmonie | großer Saal
Programm:
Richard Wagner
Siegfried-Idyll E-Dur WWV 103
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Klavier und Orchester B-Dur KV 595
Zugabe:
Wolfgang Amadeus Mozart
Adagio / aus: Sonate für Klavier F-Dur KV 300k
– Pause –
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73
Zugaben:
Wolfgang Amadeus Mozart
Ave verum corpus / Motette KV 618
Johannes Brahms
Ungarischer Tanz Nr. 5 g-Moll
Musiker:
Dirigent: Lorenzo Viotti
Solistin: Maria João Pires (Klavier)
Orchester: Netherlands Philharmonic Orchestra